Daniele Ricci zählt längst zu den gefeierten Timorasso-Stars aus dem Piemont. Dabei hätte bis Mitte der 1980er-Jahre wohl kaum jemand zu hoffen gewagt, dass mit dieser extrem schwierig anzubauenden Rebsorte überhaupt irgendein Blumentopf zu gewinnen sein könnte. Deshalb war sie eigentlich im Verschwinden begriffen, verdankt aber mutigen Winzer*innen wie Ricci nun ein fulminantes Comeback – gerade auch in der Spitzengastronomie, längst nicht mehr nur in Norditalien.
Konsequente Low-Intervention
Daniele Ricci ist sicherlich der progressivste Vertreter des neuen Timorasso-Booms. Er bewirtschaftet seine sieben Hektar Weinberge in der kleinen Gemeinde Costa biologisch, was gerade beim empfindlichen Timorasso eine besondere Leistung ist. Im Keller herrscht eine konsequente Low-Intervention-Philosophie – ohne Zusatzstoffe, Schönung oder Filtration. Stattdessen experimentiert Daniele Ricci ausgiebig mit den Möglichkeiten der Maischestandzeit, um alles an Phenolen, Farb- und Geschmacksstoffen aus dem Lesegut zu extrahieren. Auch das ist im Hinblick auf den Timorasso, der von Natur aus schon extrakt- und alkoholreiche Weine hervorbringt, große Kunst.
Derthona ist die historische Bezeichnung der Gemeinde Tortona, die der piemontesischen Weinbauregion Colli Tortonesi ihren Namen gab. In dieser außerhalb Italiens noch relativ unbekannten DOC feiert die vom Aussterben bedrohte weiße Rebsorte Timorasso seit den späteren 1980er-Jahren ein fulminantes Comeback. Bereits im 15. Jahrhundert wurde sie nachweislich in den Hügeln rund um die Gemeinde Tortona respektive Derthona angebaut, weshalb einige Winzer*innen sich heute bei ihren Basis-Timorasso dieser historischen Herkunftsbezeichnung bedienen. Die Weinberge von Daniele Ricci befinden sich in der kleinen Gemeinde Costa Vescovato, rund 12 km südwestlich von Tortona. Die Böden hier sind von Mergel und Tongestein geprägt. Die Trauben für Riccis Derthona stammen aus 1995 bepflanzten Terrassenlagen. Wie alle Rebflächen des Weinguts Daniele Ricci werden sie biologisch bewirtschaftet.
Spontangärung, eine dreitägige Mazeration sowie der 18-monatige Ausbau auf der Feinhefe erfolgten im Edelstahltank. Anschließend wurde der Wein ohne Schönung oder Filtration gefüllt.
Im üppigen und vielschichtigen Bukett finden sich Noten von Honig, reifer gelber Birne, Quittenbrot und eine steinige Würze mit kräutrigen Anklängen. Im Mund zeigt sich der Wein durchaus kraftvoll, körperreich und mit viel Schmelz, wird dabei jedoch von der feinen Tanninstruktur und dem ausgeprägt mineralischen Säurenerv gekonnt im Zaum gehalten.
Mit Anklängen von Zitruszesten fließt er frisch und lebendig über den Gaumen und verbirgt seine alkoholischen Muskeln und die phenolischen Ecken und Kanten unter einem eleganten Maßanzug aus feinstem Kaschmir-Zwirn. Ein überaus progressiver und geschmacklich fordernder Charakterkopf, in dem sich ungeschminkte Lebendigkeit mit faszinierender Finesse vereinen. Im Heimspiel mit der norditalienischen Küche ein echtes Erlebnis – insbesondere wenn Innereien oder Trüffeln im Spiel sind.
Yook & Neser vom vinocentral-Team, September 2022
Eigentlich war die alte piemontesische Rebsorte Timorasso längst dem Untergang geweiht. Denn sie ist eine echte Zicke. Selbst für Laien ist sie leicht an ihrer Unart zu erkennen, dass sie an ein und derselben Traube Beeren mit unterschiedlichen Reifegraden ausbildet. Damit muss man beim Wine Making erst mal klarkommen. Dazu bringt sie grundsätzlich eher geringe Erträge, wobei sie gleichzeitig extrem anfällig für verschiedene Krankheiten ist und besonderer Pflege bedarf. Wirtschaftlichkeit sieht im modernen Weinbau anders aus. Deshalb hatten sich im Weinbaugebiet Colli Tortonesi in der piemontesischen Provinz Alessandria die meisten Winzer*innen von ihr getrennt. Gerade mal zehn Hektar waren noch übrig, als ein einzelner Winzer Mitte der 1980er- Jahre ihre unverhoffte Renaissance einläutete, die sich mittlerweile zu einem regelrechten Boom entwickelt hat.
Heute wird der Timorasso als weißes Pendant zum Barolo gefeiert. Winzer*innen, die ein Händchen dafür haben, entlocken der Rebsorte überaus charaktervolle Weine, die einerseits stets kraftvoll und körperreich ausfallen, andererseits aber durch eine frische Säure und extreme Finesse glänzen können.
Daniele Ricci zählt zu diesen Könner*innen – und ist ohne Zweifel der experimentierfreudigste unter ihnen. Sein Timorasso aus der biologisch bewirtschafteten Lage San Leto stammt von über 30 Jahre alten Reben. Die Trauben wurden für drei Tage mazeriert – es handelt sich also um einen Orange Wine – und spontanvergoren. Danach folgte der einjährige Ausbau im großen Akazienholzfass sowie eine zweijährige Flaschenreife – alles ohne jegliche Schönung oder Filtration. Lediglich geschwefelt wird dieser progressive Wein.
Im Glas zeigt sich der San Leto „Etichetta Blu“ Colli Tortonesi 2019 von Daniele Ricci in einem hellen Bernsteinton. Im Bukett finden sich neben erdig-mineralischen, nussigen und buttrigen Anklängen vor allem karamellisierte Kumquats, Quittengelee, Bienenwachs, Kamille und gelbes Dörrobst.
Am Gaumen ist der Wein kraftvoll, dicht und dunkelwürzig, erhält aber durch seine überaus lebendige mineralische Säure unglaublich viel Frische und Spannung. Die Phenolik spielt hier eine entscheidende Rolle beim Mundgefühl, vor allem das mürbe und feingliedrige Tannin.
Im langen Finish hallt die gelbfruchtige, mineralische und kräutrige Würze noch ewig nach. Ein charaktervoller und auch im Vergleich mit anderen Timorasso-Weinen vollkommen eigenständiger Tropfen. Ein echtes Erlebnis und für uns das Nonplusultra zu allen möglichen Gerichten mit weißem Trüffel. Schon jetzt sehr zugänglich, kann aber bis 2030 – vielleicht auch darüber hinaus – noch hervorragend reifen.
Yook & Neser vom vinocentral-Team, August 2022
Il Giallo di Costa, übersetzt: Der Gelbe von Costa, ist ein Paradebeispiel für Daniele Riccis Timorasso-Kunst und ein „Super Orange Wine“.
Ganze drei Monate mazerierte der Wein über die Spontangärung hinaus auf der Maische. Im Glas zeigt sich der Il Giallo di Costa mit einem hell auslaufenden satten Bernsteinton.
Im dichten Bukett finden sich jede Menge getrocknete und auch kandierte dunkelgelbwürzige Fruchtnoten, feuchtes Herbstlaub, getrocknete Kräuter und Blüten.
Am Gaumen ungemein kompakt, würzig und kraftvoll. Die mürben Tannine und der dichte Schmelz werden von einer feingliedrigen, frischen und perfekt integrierten Säure ausbalanciert. Auch hier herrscht die dunkelgelb-fruchtige Würze vor, dazu tabakige Anklänge, herbe Grapefruitnoten und etwas frische Kamille sowie Noten von mediterranen Kräutern.
Im Finish entfaltet sich über dem feinen Tanningerüst eine salzige Mineralität am Gaumen die mit dem gesamten Aromenkonglomerat noch lange nachhallt. Ein absolut eigenständiges, großes und tiefgründiges Weinerlebnis – Timorasso von seiner wildesten und vollkommen ungeschminkten Seite, trotzdem von enormer Harmonie, innerer Ruhe und Stimmigkeit geprägt. Kann sicherlich 10 bis 15 Jahre reifen.
Yook & Neser vom vinocentral-Team, August 2022
Noch immer sind naturbelassene Weine gerade im deutschen Markt eher eine Randgruppenveranstaltung – in Fachkreisen ist jedoch die Kritik an den „jungen Wilden“ auch hierzulande auffallend leise geworden. Das ist zum einen wohl darauf zurückzuführen, dass seitens der Revolutionär*innen der handwerkliche Erfahrungsschatz über die Jahre gewachsen ist und man immer seltener auf einfach nur „seltsame“ bis fehlerhafte Naturweine trifft. Zum anderen sickern aber auch deren Praktiken – einst gerne als ideologische bis esoterische Verblendung abgetan – mehr und mehr in den konventionellen Sektor ein: biologischer bis biologisch-dynamischer Weinbau, Verzicht auf Reinzuchthefen und unnötige kellertechnische Eingriffe sowie zumindest eine Reduktion des Schwefelzusatzes auf ein Minimum – all das gehört heute unter Spitzenerzeuger*innen allgemein zum guten Ton. Und auch bei Pet-Nat, Amphoren-Ausbau oder Vergärung von Weißweinen auf der Maische rümpfen ernstzunehmende Winzer*innen kaum noch reflexartig die Nase …
Und so sind auch die drei Weine, die Yook für dieses Weinpaket und den dazugehörigen Livestream ausgewählt hat, nicht nur von höchster handwerklicher Qualität, sondern auch eine Bereicherung für all jene Weinfreund*innen, die ein Stück außerhalb des konventionellen Geschmackskorridors nicht gleich ganz im Dunkeln tappen.
Dopamin NV bio, Milan Nestarec, Velkopavlovická/Mähren, Tschechien, 0,75 lDie Reise beginnt in der tschechischen Region Mähren mit einer spannenden Cuvée aus drei Rebsorten (Chardonnay, Grüner Veltliner, Riesling) und vier Jahrgängen von Milan Nestarec. Das Enfant terrible hat sich zur festen Größe gemausert – ohne seine Experimentierfreude zu verlieren.
San Leto Derthona Colli Tortonesi Timorasso Riserva DOC bio 2019, Daniele Ricci, Piemont, Italien, 0,75 lWeiter gehts ins Piemont zur beinahe vergessenen Rebsorte Timorasso und einem ihrer avantgardistischen Großmeister: Daniele Ricci erzeugt aus ihr große, naturbelassene Terroir-Weine von Weltklasse.
Pinot Noir Kreuzel bio 2019, Domaine Rieffel, Elsass, Frankreich, 0,75 lEs folgt ein Abstecher ins Elsass, das längst mehr zu bieten hat als den seichten „Edelzwicker“ oder fette, restsüße Rieslinge. Hier begeistern das vinocentral-Team seit einigen Jahren zunehmend auch Pinot Noirs – vor allem in der naturbelassenen Variante der kleinen Domaine Rieffel aus Mittelbergheim mit ihrer schon fast unverschämt delikaten Frucht.
vinocentral-Livestream 3 Gläser: Naturwein Part IVMit Geunhye Yook & Alexander Marschall Mit einem Klick zum Livestream
Hinweis: Die Teilnahme am Livestream ist kostenfrei und ohne Anmeldung möglich. Nach der Live-Ausstrahlung können alle Videos weiterhin in unserer Mediathek abgerufen werden.
Wenn Ihr das Weinpaket Tour de Nature Europa pünktlich zum vinocentral-Livestream erhalten möchten, beachtet bitte folgende Fristen: Zustellung außerhalb Darmstadts: Bestellung bis spätestens Freitag, 7. November 2025Zustellung im Stadtgebiet Darmstadt: Bestellung bis Montag, 10. November 2025, 18 Uhr
Vorbereitung für das TastingAlle drei Weine – vor allem die beiden weißen – benötigen Luft, um sich voll zu entfalten, und lassen sich auch mindestens über zwei Tage genießen, ohne abzubauen. Wie gewohnt öffnen wir die drei Flaschen nur etwa eine Stunde vor Beginn des Livestreams, um ihre Entwicklung zu verfolgen. Es spricht jedoch auch nichts dagegen, sich bereits am Abend davor ein Gläschen zu gönnen. Den geöffneten Wein dann aber unbedingt im Kühlschrank lagern und rechtzeitig temperieren. Die Weißweine sollten bei 10–12 °C, also nicht wirklich „kühlschrankkalt“, genossen werden. Der Pinot Noir entfaltet sich bei 14–16 °C am besten – also keinesfalls bei „Zimmertemperatur“
Inhalt:
2.25 Liter
(30,67 €* / 1 Liter)
69,00 €*
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