Recaredo

Verkostungsnotiz des Jahrgangs 2005: Gran Reserva, Brut Nature, fast zehn Jahre Flaschenreife – Recaredos Reserva Particular von 2005 ist ein Monument von einem Wein. Sobald sich die ersten zarten Rauchwolken lichten, bricht sich ein fast honigfarbener Ton die Bahn – der komplexe Unterbau der nach und nach in die Bühnenmitte strömenden Aromen von Brioche, weißen Blüten, noch grünen wie auch leicht gerösteten Mandeln und kandierter Cedrat-Zitrone. Das Entrée prachtvoll jugendlich, fast schon bestürzend frisch, eine glockenhelle Säure, die das Geschehen am Gaumen strukturiert, tiefenstaffelt: Die straffe, ungemein animierende „Kargheit“ des Xarel·lo in Kombination (zu fast gleichen Teilen) mit dem möglicherweise gefälligeren, weil fülligeren Macabeu, verleiht der Reserva Particular ein vollkommen eigenes, unbedingt einzigartiges Profil. Zumal mit dieser Flaschenreife! Eine minütlich an Intensität zunehmende Mineralität, Orangenblüten zwischen Wildkräutern, „weiche“ Röstnoten (Mousse au Espresso), fast buttriger Schmelz und doch kraftvoll, komplex und von faszinierender Länge. Jetzt schon großartig zu trinken, in ein paar Jahren sicherlich zum Niederknien. Miguel Montfort, 18.12.2016    

Die katalanische Weinbauregion Penedès liegt westlich von Barcelona und ist unter anderem für ihre großartigen Cavas berühmt, deren Tradition auf die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückgeht. Sie zählen mitunter zum Besten, was die gesamte Schaumweinwelt zu bieten hat, und gerade Recaredo genießt hier zu Recht Kultstatus. Nach Jahren der Auseinandersetzung mit dem Cava-Verband hat sich das renommierte Schaumweinhaus gemeinsam mit ein paar weiteren Spitzenerzeuger*innen der Region aus der DO Cava verabschiedet und bezeichnet seine Schaumweine seither mit dem Kunstwort „Corpinnat“ (Cor = Herz, Pinna = ethymologischer Ursprung des Wortes Penedès, Nat = geboren; also sinngemäß: „Im Herzen des Penedès geboren“). Recaredo verwendet grundsätzlich nur Trauben aus eigenem, biodynamisch zertifiziertem Anbau – ohne künstliche Bewässerung. Die Reben für den Terrers stehen auf ausgeprägt kalkhaltigen Böden. Die Grundweine – 65 % Xarel-lo, 17 % Parellada, 18 % Macabeu – wurden spontanvergoren und für die zweite Gärung wurde kein Zucker zugesetzt, sondern eine eigene Süßmostreserve sowie selbst gewonnene wilde Hefen. Der Wein reifte für ganze 45 Monate unter Naturkork, statt der üblichen Kornkorken mit Kunststoffbeschichtung, ehe er im März 2023 von Hand und ohne Frosten des Flaschenhalses degorgiert wurde. Sehr feine, anhaltende Perlage. Im Bukett Noten von Apfel, Quitte und hellgelbem Steinobst, hefigen und gebäckartigen Anklängen sowie etwas Karamell und ein Hauch Meeresbrise. Im Mund feingliedrig, saftig und delikat – hellfruchtig, nussig, mit leicht salzig anmutender Mineralität, einer feinen, eher dunklen Würze und einem dezent herben Frischekick im Finish. Komplex aber nicht kompliziert. Das ist große Schaumweinkunst. Ein großartiger „Corpinnat“ für vergleichsweise kleines Geld. In Deutschland fristen Schaumweine ja überwiegend ein Aperitif-Dasein, dabei sind gerade Qualitäten wie diese hier exzellente Speisenbegleiter. Mit seiner aromatischen Vielschichtigkeit, der feinen Säure und der zusätzlichen Frische durch die feine Perlage kann man den Terres eigentlich mit fast allem ins kulinarische Rennen schicken – wenn’s nicht gerade eine schwere Rotweinsauce ist. Da er unweit der Mittelmeerküste zur Welt kam, bieten sich natürlich Meeresfrüchte und Fisch an. Mit seiner Finesse und Eleganz schmiegt er sich an die Verfeinerungen der Haut Cuisine problemlos an, ist sich aber auch für traditionelle katalanische Gerichte wie Schweinsfüße mit Hummer sicherlich nicht zu fein. Yook & Neser vom vinocentral-Team, April 2024